Ab- undTiefgründiges, Vor- und Nachdenkliches, Auf- und Anregendes
Tränen
Die Tränen auf den Blättern
sind der Rest vom letzten Regen.
Die Mittagssonne
ermuntert sie, sich aufzulösen.
Ein Hauch von Nebel
wird sich über diese Erde legen
und aus den Tränen
werden Geisterwesen.
Sie laden die Welt
zum Tanz im Licht,
die Blätter hoffen noch
auf etwas Wind.
Sie wissen,
dass auf lange Sicht
die Tränen
ihre Tanzlehrer sind.
Bleib
wie Du bist
bei Dir
daheim
gesund
gelassen
Du
bei mir
wo Du bist
auf Abstand
mir gestohlen
ruhig
sauber
auf dem Boden
mir vom Leib
was Du bist
Mensch
Wie Du
Ich wär so gern wie Du.
Ich komm nur nicht dazu.
Komm nicht dazu, mich mit erfundenen Geschichten
so prunkvoll und erhaben herzurichten.
Ich schaff es nicht, mit Schminke und Pomade
so auszusehen wie Du - und das ist schade.
Ich wär so gern wie Du.
Ich komm nur nicht dazu.
Komm nicht dazu, durch einen schönen Schein
eine moralische Instanz zu sein.
Ich schaff es nicht, in jeder Hitparade
ganz vorn zu sein - und das ist schade.
Ich wär so gern wie Du gewesen,
so schön, so klug und so belesen.
Aber langsam wird mir klar:
Du bist nur mein Avatar.
Ein Bild von mir, nur ein Klischee,
ein Abklatsch und es tut mir weh,
in Dir das Zerrbild zu erkennen,
das alle Leute Arno nennen.
Und so langsam frag ich mich,
wär es nicht besser, ich bleib ich?
Absurder Sommer
Der Sommer schwitzt,
wirft seine Perlen vor die Badegäste.
Am Stadtrand sitzt
das Großstadtvolk im bleichen Gras und feiert Feste.
Ein Bauer sucht
mit seinem Fernglas Regenwolken
und seine Frau flucht
hättest Du doch besser mal die Kuh gemolken.
Der Sommer träumt
von jener Zeit als er noch jung und Frühling war.
Ein Knabe zäumt
sein Schaukelpferd von hinten auf vor dem Altar.
Ein Leichtmatrose setzt
zum letzten Sprung ins frisch geleerte Becken an.
Spring doch nicht jetzt!
Wart bis es wieder regnet irgendwann!
Der Sommer trauert
bei der Aussicht bald schon Herbst zu sein.
An jeder Ecke lauert
eine große Dürre auf Erlösung durch den schönen Schein.
Ein feister Banker
löst der Rentnerin das Lebenskonto auf.
Ein dichter Denker
sammelt im Stadtpark Verse ein beim Spendenlauf.
Der Sommer trägt
als träger Lieferdienst die Schwüle in den dritten Stock.
Ein Mieter sägt
aus Buchenholz ein Fliegengitter auf dem Arbeitsbock.
Ein junger Mann wirbt
um die Schöne mit lackiertem Fingernagel
und in Europa stirbt
ein ganzes Land im Bombenhagel.
Morgenlicht
Wieder so ein Morgen, der rumtrübt als gäbe es kein heute mehr.
Die Sonne scheint sich einen Ruhetag zu gönnen.
Gedanken lauern auf den Schultern regenwolkenschwer
und warten bis sie kreisen können.
Nur einer macht sich auf den Weg die Nebelschwaden zu erkunden,
in seinem Rucksack Mut und Zuversicht.
Im Funkeln eines Tropfens hat er einen Schatz gefunden:
in jeder Trübnis ist auch Licht.
Zwischen den Anfängen
Jeder Anfang birgt ein Ende
und lädt Dich ein auf das Dazwischen.
Er legt Spuren ins Gelände,
die mit der Zeit nur allzu leicht verwischen.
Wagst Du den Anfang nicht,
ersparst Du Dir den Schluss.
Doch Dir entgeht dabei auch schlicht
der zwischenzeitliche Genuss.
Das ist das Schöne am Beginn,
es ist die beste Zeit für Träume.
Gib Dich ihnen einfach hin
und achte auf die Zwischenräume.
Unsere Welten
Deine Welt ist nicht die meine
und wird es niemals sein.
Wenn alles gut geht laden wir
uns gegenseitig ein.
Wir treffen uns am Rande
unsrer kleinen Welten
und ich lass Deine, Du lässt meine
wir lassen einfach unsre gelten.
Vielleicht ist die Begegnung ein Gewinn
der bald wieder zerronnen
und aus uns beiden werden zwei Planeten,
die kreisen um verschiedene Sonnen.
Dann bleibt nur noch ein ferner Schein,
den wir mit Teleskopen messen.
Ein Funksignal von Zeit zu Zeit,
grad laut genug, um uns nicht zu vergessen.
Heilpraktikers Traum
Ich wär so gern Dein Globuli,
ein Kügelchen mit gar nichts drin.
Du nimmst mich, doch Du fragst mich nie,
wo führt das alles mit uns hin.
Ein Placebo wäre ich für Dich,
das Du, wenn’s sein muss, aus der Apotheke raubst.
Und meine Wirkung bliebe hoch an sich,
solange Du an mich und meine Zauberkräfte glaubst.
Ich würde schmelzen unter Deiner Zunge,
in Wohlgefallen löste ich mich auf.
Dräng in Dich ein, in Herz und Hirn, in Milz und Lunge
mein Nichts nähm in Dir seinen Lauf.
Doch leider, das ist wirklich dumm,
bin ich nichts von alledem.
Bin nur Dein Antibiotikum,
vorübergehend halt bequem.
Auf der Suche
Alle suchen, manche finden.
Lauter ungeträumte Träume.
So viel Buchen! So viel Linden!
Wo früher Wald war, sind heut' nur noch Bäume.
Man sucht die Nadel in 'nem Haufen Heu.
Wo ist die allerbeste Ware?
Man macht gestohlene Pferde scheu
und findet nur in jeder Suppe büschelweise Haare.
Überall Feuer und kein Rauch.
Die Themen tief in ihrer ganzen Breite.
Ich glaub, ab morgen such ich auch.
Und was liegt näher, als das Weite!
Beziehungsweise
Ein Liebeslied, von mir gesungen,
dem pochenden Herzen abgerungen,
erzählt vom Kommen, Dasein, Gehen,
vom Auseinandersetzen und Zusammenstehen.
Erzählt vom Suchen, Übersehen und Finden,
vom Freisein und sich trotzdem binden.
Es singt davon, ob es wohl glückt,
wenn einer zieht, der andre drückt.
Wie aus Beziehung dann Bedrückung wird
und keiner mehr sich selber spürt.
Und im Refrain, gemacht um mitzusingen,
geht es natürlich um’s Gelingen,
um Leidenschaft und Lust und Mut
und darum, dass man’s trotzdem tut.
Ich hab das Lied schon oft gesungen
und manchmal ist es mir gelungen,
trotz Dissonanz im Liedaufbau
eine zu finden, die sagt „Whow!
Ich lieb' es, Mann.
Das hört sich ja wie Free Jazz an!“